Kennzeichen von Selbsthilfegruppen

Handlungsgrundlage für eine Unterstützung der Selbsthilfegruppen-Aktivitäten durch den DV Selbsthilfe Kärnten

Die Unterstützungsleistungen sind in einem „Leistungskatalog“ dargestellt und werden nach den vorhandenen Ressourcen auf der personellen und finanziellen Ebene angeboten. Für „Anonyme Gruppen“ – siehe Punkt 1.3 – gelten entsprechend den 12 Traditionen eingeschränkte Unterstützungsleistungen.

Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich an nationalen und internationalen Standards und beinhalten keine Beurteilung der Qualität der Arbeit.

1. Allgemeine Definition der Zielgruppe

  • 1.1 – Selbsthilfegruppen sind lose Zusammenschlüsse von Betroffenen/Angehörigen, die durch den gemeinsamen Erfahrungs- und Informationsaustausch eine Veränderung ihrer persönlichen Lebenssituation anstreben (nach innen orientierte Gruppenaktivitäten).
  • 1.2 – Selbsthilfeorganisationen sind vereinsmäßig organisierte Zusammenschlüsse von Betroffenen, deren Aktivitäten vielfach auch nach außen orientiert sind, zum Beispiel themenbezogene Interessenvertretung der Mitglieder, Mitwirkung an Entwicklung und Entscheidungsprozessen im Sozial- und Gesundheitsbereich.
  • 1.3 – Anonyme Gruppen arbeiten nach den zwölf Schritten/zwölf Traditionen. In den regelmäßigen Treffen (Meetings) berichten Betroffene von ihren persönlichen Problemen, aber vor allem von Fortschritten in Bezug auf das Thema, zum Beispiel Esssucht, Alkohol.
  • 1.4 – Virtuelle Gruppen sind Zusammenschlüsse von Betroffenen, die sich in einem internetbasierten Rahmen, zum Beispiel durch Soziale Medien wie WhatsApp, ZOOM, Facebook oder Twitter austauschen. Die Internetseite enthält Angaben zu Anbieter:innen und die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme (Impressum). Nachfolgend wird für die oben angeführten Formen der Selbsthilfe der Begriff „Selbsthilfe“ als Sammelbegriff verwendet und eine Unterscheidung nur dann gemacht, wenn es notwendig ist.

Ein wesentliches Prinzip der Selbsthilfe ist die freiwillige Teilnahme.

2. Anforderungen für die Inanspruchnahme der Unterstützungsleistungen des DV Selbsthilfe Kärnten

  • 2.1 – Die Nennung mindestens einer Kontaktperson ist erforderlich. Bei Vereinen sind zusätzlich die Statuten und der Vereinsregisterauszug vorzulegen.
  • 2.2 – Es werden regelmäßige Gruppentreffen zum persönlichen/virtuellen Erfahrungs- und Informationsaustausch angeboten. Die Gruppentreffen finden an einem öffentlich zugänglichen Ort statt und sind offen für neue Teilnehmer:innen.
  • 2.3 – Grundsätzlich ist keine professionelle Leitung oder Beratung vorgesehen.
  • 2.4 – Die Selbsthilfe unterliegt keiner kommerziellen Zielsetzung und ist parteipolitisch und/oder konfessionell unabhängig.
  • 2.5 – Das A E I O U der Selbsthilfe auf der individuellen Ebene - siehe Punkt 3 - wird den Selbsthilfe-Aktivitäten zu Grunde gelegt.
  • 2.6 – Die kollektive themenbezogene Interessenvertretung orientiert sich am Bedarf und den Bedürfnissen der Teilnehmer:innen, daher werden keine Einzelinteressen vertreten.
  • 2.7 – Erfahrungskompetenz der Betroffenen/Angehörigen (erlebte Kompetenz) wird als Ergänzung der Fachkompetenz (erlernte Kompetenz) im medizinischen, sozialen, juristischen und/oder therapeutischen Bereich gesehen.
  • 2.8 – Die Offenlegung von Förderungen durch öffentliche Einrichtungen und/oder private Unternehmen und Spenden durch Privatpersonen ist erforderlich.
  • 2.9 – Zweck und Ziele einer virtuellen Gruppe müssen klar benannt und nachvollziehbar beschrieben werden und die Vertraulichkeit der personenbezogenen Daten der Nutzer:innen ist zu gewährleisten (Datenschutzgrundverordnung). Darüber hinaus besteht die Verpflichtung, dass personenbezogene Daten nicht an Dritte weiter gegeben werden.

A-E-I-O-U Funktionen der Selbsthilfegruppen auf individueller Ebene

In der Studie „Wirkung von Selbsthilfegruppen auf Persönlichkeit und Lebensqualität“, welche im Auftrag des Fonds Gesundes Österreich (Untersuchungszeitraum 1998/1999) durchgeführt wurde, wird die Funktion der Selbsthilfe mit A-E-I-O-U beschrieben:

A wie Auffangen

Neue Gruppenteilnehmer:innen, die oft deprimiert, desorientiert sind und sich alleingelassen fühlen, werden in der Gruppe "aufgefangen", sie können ihr Leid schildern und sich darstellen, um ihnen die Angst zu nehmen und ihnen das Gefühl zu geben, nicht alleine zu sein.

E wie Ermutigen

Teilnehmer:innen erhalten das Gefühl, es auch zu schaffen, mit der neuen Situation fertig zu werden.

I wie Informieren

Die betroffenen Teilnehmer:innen erhalten professionelle Informationen durch Vorträge von Fachleuten, Literaturhinweise u. a.

O wie Orientieren

Teilnehmer:innen an Selbsthilfegruppen können sich durch den gegenseitigen Erfahrungsaustausch und das Kennenlernen von anderen Menschen, die an der gleichen Erkrankung leiden, orientieren. Sie lernen, ihre eigene Situation zu relativieren, ihre Ansprüche und Erwartungen an sich, an ihre unmittelbaren Mitmenschen und an die Professionist:innen im Gesundheitswesen neu auszurichten und gewinnen so Lebensqualität zurück und können Strategien für erfolgreiches Bewältigungsverhalten aufbauen.

U wie Unterhalten

Neben den "fachlichen" Kontakten, die sich auf die Erkrankung und ihre Bewältigung beziehen, sind auch gesellschaftliche, freundschaftliche Bindungen der Gruppenteilnehmer:innen untereinander durchaus erwünscht - wenngleich eine Selbsthilfegruppe kein "Kaffeehausklatsch" sein sollte.